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Ausstellungen – 2mal Augsburg, 1mal München

In den letzten Wochen war ich mal ein wenig in Sachen Kunst unterwegs. Drei Ausstellungen, die es zu erwähnen und zu besuchen lohnt!

Beginnen will ich mit München – Pinakothek der Moderne – David Shrigley ‚Drawing‘

Mal ganz davon abgesehen, dass ich die Pinakothek der Moderne generell gerne besuche und mich an der Architektur erfreue, war nun gezielt die Ausstellung von David Shrigley der Anlass für einen Ausflug nach München. Auslöser für das Interesse war das Tweetup zur ‚Secret Sculpture‘, einer Skulptur, die nur ein Kreis ausgewählter Menschen zu Gesicht bekam, bevor der Künstler sie zerstörte. Shrigley Secret SculptureEntstanden sind eine ganze Reihe von Zeichnungen, die nicht nur die Skulptur aus unterschiedlichen Blickwinkeln darstellen, sondern nun das eigentliche Kunstwerk sind. Für mich war die Ausstellung auch deshalb ein Muss und eine spannende Angelegenheit, weil ich das Tweetup zumindest teilweise auf Twitter verfolgen konnte.

Shrigley Secret SculptureOb andere, die diesen Bezug nicht haben, auch so fasziniert sind von der Vielfalt der Zeichnungen, who knows?

Und nun nach Augsburg.

Ein besonderes Kleinod ist zur Zeit im Maximilianmuseum zu bestaunen: der Pommersche Kunstschrank. Ich wäre vermutlich trotz heftiger Werbung in der Innenstadt daran vorbeigegangen, aber eine Freundin überredete mich zu einem ‚Museumstag‘, der sich als echte Bereicherung entpuppte.

Winzige Gewichte
Winzige Gewichte

Beginnen sollte man den Rundgang mit dem 15-minütigen Film von Hans Cürlis aus dem Jahr 1934, dem einzigen Bilddokument, das vom Schrank an sich, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Gemeinschaftsarbeit von Augsburger Kunsthandwerkern erstellt wurde,  noch existiert. Gerettet  wurde nur – oder zum Glück – der Inhalt des Kunstschranks. Jedes der nahezu 250 Objekte ist ein Kunstwerk für sich. Die kunstvoll arrangierten Schubladen und Fächer enthielten Gegenstände aus allen für die damalige Zeit repräsentativen Bereichen. Wissenschaftliche und medizinische Instrumente, Apotheken-, Barbier- und Toilettenutensilien, Tafelsilber, Schreibzeug, Spiele und viele andere mechanisches Geräte.

Leider ist das Fotografieren in der Ausstellung nicht erlaubt, gäben doch allein die individuell geschnitzten Schachfiguren unerschöpfliches Material her.

Ähnlich überraschend faszinierend ist ‚Die Welt aus Augsburg – Landkarten von Tobias Conrad Lotter (1717–1777) und seinen Nachfolgern‘ im Schaezlerpalais. Diesen Besuch verdanke ich der Tatsache, dass am ersten Sonntag im Monat die Museen in Augsburg nur einen Euro Eintritt kosten und ich seit meiner Kindheit begeisterte Landkarten-Leserin bin. Bewaffnet mit Lupe (kann ausgeliehen werden!) verloren wir uns schnell in der Welt der Karten. Wundervoll gestaltete Werke aus Kupferstichen – ein Blick auf die Welt vor 300 Jahren. Toll!

Schiffe vor der Küste Frankreichs
Schiffe vor der Küste Frankreichs
Beschreibung welche die Attacke der Russischen mit der Türkischen Flotte vom 24. Juni 1770 bei Cismin vorstellet
Beschreibung welche die Attacke der Russischen mit der Türkischen Flotte vom 24. Juni 1770 bei Cismin vorstellet
Gewässerkarte von Deutschland Ende des 18. Jahrhunderts
Gewässerkarte von Deutschland Ende des 18. Jahrhunderts

 

David Shrigley ‚Drawing‘  Pinakothek der Moderne München bis 10.08.2014

Wunderwelt – Der Pommersche Kunstschrank  Maximilianmuseum Augsburg bis 29.06.2014

Die Welt aus Augsburg – Landkarten von Tobias Conrad Lotter (1717 – 1777) und seinen Nachfolgern  Schaezlerpalais Augsburg bis 31.08.2014

 

 

 

 

Trier – Episoden

Vor kurzem war ich wieder mal auf Familienbesuch in Trier. Seit ich letztes Jahr dort fast zwei Monate verbracht habe, nachdem ich vor 30 Jahren weggezogen bin, hat sich mein Verhältnis zur Stadt verändert. Ich bin ihr und ihren Einwohnern gegenüber aufmerksamer geworden.

Da kann einem aber auch das Herz aufgehen :-)
Da kann einem aber auch das Herz aufgehen 🙂

Normalerweise bin ich schon auf der langen Zugfahrt leicht angenervt, weil ich meist irgendeinen Anschluss verpasse – wie ich schon öfter erwähnte: nach Trier muss man extra hinwollen, da kommt man nicht einfach so vorbei.

Dieses Mal wurde die Verspätung versüßt durch einen überaus lustigen Kölner Zugbegleiter, der nicht nur bei der Fahrkartenkontrolle in breitem Kölsch die Fahrgäste aufmunterte, sondern auch durch seine heimatlich gefärbten Durchsagen.

„…sie haben Anschluss an dat Regionalbähnchen nach … und an den ICE nach Kölle…“ „…falls dat alles en bisschen schnell war, frachen se doch nochmal nach, wenn ich gleich vorbeikomme…“, „…wir begrüßen sie auf dem Weg nach Dortmund über Mannheim, Mainz, die Weltstadt Kölle und dat Nachbardorf Düsseldorf…“.

TRIER

Mit der Mutter unterwegs:

  • im Bus: hier kennt jeder jeden, man grüßt sich. Ich komme mir vor wie neben einem Promi sitzend (ich kenne ja keinen) – alle gucken neugierig, wer da wohl neben der Mutter sitzt. Besonders Neugierige sprechen sie an „ist das wohl die Tochter?“ Yep, sie ist’s.
  • im Stammcafé: Mutters Herrenrunde sitzt schon beinahe Triervollzählig beieinander. Ich werde vorgestellt – was nicht nötig ist, jeder weiß, wer ich bin, wie ich heiße, dass ich gerade zu Besuch bin und vermutlich einiges, wovon ich gar nicht wissen will, was in dieser geselligen Runde so alles ausgeplaudert wird. Einer der Herren wohnt gleich nebenan – am nächsten Tag treffe ich ihn im Bus, yippie, ich kenne auch jemanden!
  • im Theater: ich war seit über 20 Jahren nicht mehr im Theater in Trier, folge dem Theater Trier aber auf Twitter @theatertrier und habe gerade erst meine Unterschrift zur Erhaltung der Theater TrierSchauspielbühne abgegeben. Und es wurde ‚Der Wildschütz‘ gespielt. So eine komische Oper schien mir durchaus das Richtige für einen Theaterabend mit der 88jährigen Mutter. Für die Pause wurden vorab schonmal Würstchen für die Mutter, falls sie noch Hunger bekommen sollte, schließlich geht sie so spät ja normalerweise nicht mehr aus, und ein Cocktail für die Tochter bestellt. Trotz sehr
    Der Wildschütz - Theater Trier
    Der Wildschütz – Theater Trier

    sparsam moderner Inszenierung wurde es ein sehr kurzweiliger Abend, die Qualität von Ensemble und Orchester ist hervorragend. Im späten Sammelbus nach Hause … nee, niemand getroffen, da ist nur Jungvolk unterwegs 😉

Ausflug zur Verwandtschaft:

Ein Besuch, den ich mag. Hier sitzen mit Vater, Mutter, zwei Tanten und Onkel geballte 435 Jahre beisammen. Geredet wird nur über früher, die Zipperlein von heute hat man, die müssen nicht thematisiert werden. Das sind die letzten ihrer Art. Alle, wie sie da sitzen in der Weimarer Republik geboren, man stelle sich das vor. Das ist Geschichte hautnah, wenn auch mit viel Lokalkolorit überzogen. Ich bedaure immer, diese seltenen Zusammenkünfte nicht irgendwo abspeichern zu können. Vermutlich gehöre ich sowieso zu einer verschwindenden Minderheit, die den Dialekt zwar vesteht, aber nicht selber spricht – wir befinden uns im Saarland.

Sonst so:

  • Gartenarbeit ist in meinem Leben komplett an mir vorbeigegangen und es gibt auch keinerlei Bestrebungen, das zu ändern. In Trier liegt im Frühjahr aber immer was an. Mutter ist unglücklich, weil ihr kleines noch vorhandenes Blumenbeet von Unkraut überwuchert wird. Ich bin willig und rupfe was das Zeug hält. Nach einer Stunde schmerzen Hände, Arme, Kreuz und was weiß ich noch – aber Spaß hats trotzdem gemacht, das Rausrupfen. Ich bin guter Dinge, dass ich die meisten Blümchen verschont habe…
  • In die Stadt gehe ich meistens eine Strecke zu Fuß. Das ist zum einen dem Bewegungsdrang geschuldet, der bei Heimatbesuchen gerne zu kurz kommt, zum anderen einer gewissen Sentimentalität. Auf dem Weg komme ich an alten Wirkungsstätten vorbei, die Erinnerungen wach werden lassen – ich schwelge!
  • Orgel-Neubau in der Konstantin Basilika Trier
    Orgel-Neubau in der Konstantin Basilika Trier

    In der Basilika wird eine neue Orgel gebaut, man kann den Bau unterstützen durch die Patenschaft einer Orgelpfeife. Die Eltern schenken mir eine, ich suche natürlich das ‚C‘ aus. Ich mag die Vorstellung, dass mir ein kleines Stück Musik in der Heimat ‚gehört‘.

  • In der Stadt verabrede ich mich mit dem Bruder ‚hinter dem Horten‘. Klar, dass das schon lange nicht mehr ‚Horten‘ ist, was den eingefleischten Trierer nicht weiter interessiert. Die Ortsangabe bleibt ‚hinter dem Horten‘.
  • Kleiner Abstecher in meine Lieblingskirche zum kurzen Seele baumeln lassen, die Liebfrauen-Basilika. Ein gotischer Zentralbau, nicht nur wunderschön, gilt sie als älteste gotische Kirche in Deutschland.
Liebfrauenkirche Trier
Liebfrauenkirche Trier

Liebfrauenkirche Trier Liebfrauenkirche TrierUnd weil just an diesem Wochenende die feierliche, offizielle Eröffnung des Wanderweges ‚Moselsteig‘ anstand, hat es mich – wohl zum ersten Mal – in die Touristen Information an der Porta (Nigra) verschlagen, um mich dort mit Kartenmaterial einzudecken. Denn das steht dieses Jahr noch auf dem Plan, einmal zu Fuß entlang der Mosel nach Trier einzulaufen!

Blick auf Trier
Blick auf Trier

 

 

Justin Go „Der stete Lauf der Stunden“ – Lesen!

Immer wieder, wenn mich ein Buch so fesselt, dass ich nicht aufhören kann zu lesen und gleichzeitig nicht möchte, dass es endet, stelle ich mir die Frage: was bewegt mich bei einem Buch?

Justin Go 'Der stete Lauf der Stunden'Im Falle von Justin Go ‚Der stete Lauf der Stunden‘ ist es – wie so oft – die Geschichte. Wenn ich eine Beziehung zu den Personen aufbauen kann, mich forttragen lasse in eine andere Welt, mich nur losreißen will, um den natürlichen Bedürfnissen nachzugehen, mich über Regentage freue und für eine kurze Weile die Romanfiguren Mittelpunkt meiner Gedanken werden, dann passt alles.

Der Autor Justin Go schafft das mit einer Geschichte, die so niemals stattgefunden haben kann, aber was solls. Genau das ist die Kunst. Unseren Wunsch aufzunehmen, einmal im Leben Begegnungen zu haben, die vom Zufall geprägt sind.

Auch wenn das Gerüst der Geschichte irgendwie sehr konstruiert herüberkommt, das kann, sollte man beim Lesen einfach ignorieren.

Das eigentlich fesselnde sind die beiden Erzählstränge. Hier Tristan, auf der Suche nach Beweisen für die Existenz der großen Liebe seiner Ururgroßeltern. Getrieben, geleitet von Zufällen, die ihm bei seiner Reise durch Europa in die Hände fallen, und er darüber fast übersieht, was das Leben für ihn bereit hält.

Dort, in den Wirren des Ersten Weltkrieges beginnend, die Begegnung von Imogen und Ashley, einer Liebe, die scheinbar nur in getrennten Leben existieren kann, um nicht ihrer Größe beraubt zu werden. Imogen, die beschließt aus Ashleys Leben zu verschwinden, Ashley, der letztlich bei einer Mount Everest Expedition 1924 sein Leben lässt.

Das Buch ist nicht perfekt, es hat seine Schwächen, eben gerade in den sehr konstruierten Teilen, was es nicht weniger empfehlenswert macht. Kleine Schwächen sind es doch, die uns alle liebenswerter machen.

„Es sind die kleinen Dinge, die einen herabziehen. Verspätete Züge und verbrannte Desserts und zugige Zimmer. Ich habe auf keinem Berg so elendig gefroren wie in einem zugigen Zimmer. Man kann an Widerständen wachsen, aber die meiste Zeit sorgen wir uns um das verbrannte Dessert. Man muss wirklich kämpfen, um zu erkennen, was das Leben ist. Erst dann wird einem bewusst, wie völlig belanglos ein verbranntes Dessert ist.“

Justin Go
Der stete Lauf der Stunden
Hoffmann und Campe
978-3-455404333